
Nachgedacht
Gottes Zusage an Abraham und Sara
Der HERR erschien Abraham bei den Eichen von Mamre (…) Da sprach er: In einem Jahr komme ich wieder zu dir. Siehe, dann wird deine Frau Sara einen Sohn haben. Sara hörte am Eingang des Zeltes hinter seinem Rücken zu. Abraham und Sara waren schon alt; sie waren hochbetagt. Sara erging es nicht mehr, wie es Frauen zu ergehen pflegt. Sara lachte daher still in sich hinein und dachte: Ich bin doch schon alt und verbraucht und soll noch Liebeslust erfahren? Auch ist mein Herr doch schon ein alter Mann! Da sprach der HERR zu Abraham: Warum lacht Sara und sagt: Sollte ich wirklich noch gebären, obwohl ich so alt bin? Ist denn beim HERRN etwas unmöglich? Nächstes Jahr um diese Zeit werde ich wieder zu dir kommen; dann wird Sara einen Sohn haben. Sara leugnete: Ich habe nicht gelacht. Denn sie hatte Angst. Er aber sagte: Doch, du hast gelacht. (…) Der HERR nahm sich Saras an, wie er gesagt hatte, und er tat Sara so, wie er versprochen hatte. Sara wurde schwanger und gebar dem Abraham noch in seinem Alter einen Sohn zu der Zeit, die Gott angegeben hatte. Abraham gab seinem Sohn, den ihm Sara gebar, den Namen Isaak. Als sein Sohn Isaak acht Tage alt war, beschnitt ihn Abraham, wie Gott ihm geboten hatte. Abraham war hundert Jahre alt, als ihm Isaak, sein Sohn, geboren wurde. Sara aber sagte: Gott ließ mich lachen; jeder, der davon hört, wird mir zulachen. Wer, sagte sie, hätte Abraham zu sagen gewagt, Sara werde noch Kinder stillen? Und nun habe ich ihm noch in seinem Alter einen Sohn geboren. Gen. 18,1-15 und 21,1-7
Gott lacht – Mensch lache!
Eine Beziehungsgeschichte
Lachen ist eine wesentliche Ausdrucksform des Menschen. Lachen stiftet Beziehungen, indem es Verbundenheit herstellt. Wenn Menschen miteinander lachen, zeigen sie sich gegenseitig Sympathie, Verständnis und Vertrauen. Lachen verbindet mit anderen Menschen und mit Gott. Zur Spiritualität als einer Lebensform, in der man Verbundenheit mit sich, den Menschen und mit Gott spürt, gehört das Lachen.
In der Bibel wird Sara in Verbindung mit ihrem Sohn Isaak durch das Lachen charakterisiert. Sara lacht, als sie erfährt, dass sie einen Sohn erwartet, und sie lacht über das Glück, einen Sohn zur Welt zu bringen. Sara und Abraham nennen ihren Sohn „Isaak“; dies bedeutet „Gott lacht“ oder „Er lacht“. Das Kind gibt mit seinem Dasein und Namen Zeugnis von Saras Gottesbeziehung. Das Verb, von dem Isaak sich ableitet, meint das fröhliche, schallende Lachen. Im Namen Isaak ist also schon das lachende Beziehungsgeschehen angegeben, bei dem Menschen miteinander befreiend lachen können.
Physiologisch betrachtet ist das Lachen eine durch Freude erzeugte Atmungsbewegung, bei der die Ausatmung intensiviert und in schnell folgenden Stößen ausgeführt wird. Die Einatmung hingegen geschieht in einem beschleunigten und tiefen Zug. Atmen bedeutet Leben, und Lachen drückt das Leben aus. Zur Spiritualität als einer Navigation, in der der Glauben als Resonanzraum für Leid und Freude erlebt wird, gehört das Lachen.
Bevor Sara befreiend lacht, ist ihr Leben eine Zeit des Leidens bzw. Atemanhaltes: Sara leidet darunter, dass sie und Abraham keine Kinder bekommen können. Dieses Leiden wirkt sich auf die Beziehung zu ihrem Mann und zu Gott aus. Denn Abraham ist von Gott versprochen worden, dass seine Nachkommen zahlreicher als die Sterne am Himmel sein werden (Gen 15,5). Diesem Versprechen jedoch kann Sara nicht gerecht werden. Sie scheint unfruchtbar zu sein. Um zu einem leiblichen Erben von Abraham zu gelangen, arrangiert sie, dass ihr Mann Abraham mit ihrer Sklavin Hagar ein Kind zeugt. Hagar wird schwanger und bringt den Sohn Ismael zur Welt. Ihre eigene befreiende Atemwende ereignet sich erst, als Sara bereits 90 Jahre alt ist. Gott spricht seine Verheißung des Sohnes aus – und Sara lacht. Sara hat Gottes Ankündigung angesichts ihres hohen Alters nicht erwartet und Gott hat Saras Reaktion nicht erwartet. Als Gott sich nach Saras Lachen erkundigt, leugnet sie ihre Reaktion. Sara scheint ihr Lachen unangenehm zu sein. Gott wiederum entgegnet: „Doch, du hast gelacht.“ Ist das ein Tadel oder eine Ermutigung zum Lachen?
So kannten sich Sara und Gott nicht. Sie sieht Gott in Gestalt von drei fremden Männern, die Abraham in seiner Oase besuchen. Gott sieht Sara nicht, da sie hinter der Zeltwand steht und das Gespräch belauscht. Sie ist von Gottes Versprechen ebenso überrascht und verwundert wie er von ihrer Reaktion darauf. Und dennoch bekräftigt er Saras Lachen als lebendige Ausdrucksform. Die Beziehung von Gott und Sara bleibt lebendig, da sich beide im Lachen neu sehen und verstehen: Sara erfährt, dass sie authentisch auf Gottes Wort reagieren kann, dass sie keine unsichtbare Befehlsempfängerin ist, sondern eine Frau, deren Wünsche gehört werden. Gott ermutigt Sara zum Lachen, da er als Begleiter erkannt werden und nicht als Obrigkeit verehrt werden will. Sara erkennt Gott als den, der alles macht und kann. Sie darf darauf vertrauen, dass nicht alles in ihrer Macht liegt. Gott schenkt ihr das Leben. Und das Leben eines Kindes folgt dabei keiner Gesetzmäßigkeit.
Wenn Menschen über einander lachen, ohne einander auszulachen, bedeutet dies, dass ihre Beziehung von Vertrauen und Wertschätzung geprägt ist – und nicht von Unsicherheit und Angst. Ein solches Lachen vertieft die Beziehung und zeigt an, was alles möglich ist. Es ist eine große Freude, sich selbst mit der Distanz des Humors zu sehen, mitzulachen und über sich zu lachen. Man selbst und alles, was einen umtreibt, erscheint weniger wichtig und schwer.
Das Lachen beendet Saras Erstarrung. Es ermöglicht freies Loslassen von Gottes Versprechen. Ihr Leben ist nicht mehr durch Gottes Verheißung eingeengt, sondern wird durch diese bereichert. Durch das Lachen darüber wird Saras Kinderwunsch von einer Bürde zu einer Hoffnung. Die Ankündigung der Geburt ist ein Geschenk, über das sie keine Verfügungsgewalt besitzt.
Johann Wolfgang von Goethe beschreibt die Erfahrung des Atmens, bei der einem die eigene Ohnmacht gegenüber dem Kommen und Gehen des Lebens bewusst wird, als religiöse Erfahrung in einem seiner Talismane: „Im Atemholen sind zweierlei Gnaden: Die Luft einziehen, sich ihrer entladen. Jenes bedrängt, dieses erfrischt; So wunderbar ist das Leben gemischt. Du danke Gott, wenn er dich preßt, Und dank ihm, wenn er dich wieder entläßt.”
Nicht einmal über den eigenen Atem bestimmen wir. Die Erfahrung des Atmens kann eine spirituelle Erfahrung sein: Den ersten Atemzug eines Kindes nimmt wohl niemand als bloße physiologische Gesetzmäßigkeit wahr, sondern als Gnade, auf die man mit dankbarer Freude und Lachen reagiert. Der Dank sucht ein Gegenüber, das Gott sein kann. Das Lachen nach der Geburt weiß um den Ernst und die Schwere des Lebens.
Der Namen ihres Sohnes Isaak ist eine mögliche Beschreibung von Saras Spiritualität als Navigation und Lebensform: Sie glaubt an einen Gott, der ihr lachend begegnet, sie annimmt und in allen Phasen des Lebens bei ihr ist. Sie nimmt Gott so an, wie und wo er sich offenbart, im Fesseln und Lösen, im Schmerz und in der Freude, im Weinen und Lachen, im Ausatmen und Einatmen. Das eine setzt das Andere voraus. Und Sara darf vertrauend glauben, dass Gott es gut macht – und lacht.
Text: Johanna Dransmann
Illustration: Patrick Schoden