Titelthema: wachsen
Nicht nur für Oberfromme
Weiß geputzte Wände, hohe Barockfenster, knarzendes Chorgestühl und schlichte Gebetsmappen. Möglichst montags bis freitags 12.30 Uhr. Miriam Penkhues über das Stundengebet in der Limburger Stadtkirche
So viel vorweg: Was wir machen, ist nicht nur für Oberfromme. Wir, einige Mitarbeiter aus dem Bischöflichen Ordinariat in Limburg, beten nach Möglichkeit die Sext. Das ist das Gebet zur Mittagszeit. Wir treffen uns dann um 12.30 Uhr in der Stadtkirche direkt neben dem Ordinariat. Treffpunkt ist das Chorgestühl hinter dem Altar. In der Stadtkirche trifft sich auch ein weiterer Gebetskreis immer um 19.30 Uhr zum Abendgebet.
Wir haben uns auf die Sext verständigt, weil wir nach einer Gebetsform als Unterbrechung im Alltag suchten. Diese Zeit passt gut in unseren Arbeitstag und gibt uns die Möglichkeit, uns als Teil der Dienstgemeinschaft im Gebet zu treffen. Außerdem war es für uns wichtig, eine Form zu haben, die keiner Vorbereitung bedarf. Es sollte sich niemand vorher hinsetzen und schlaue Gedanken machen müssen. Wir haben für vier Lesewochen die Psalmen für die Werktage zusammengestellt. So sind vier schlichte Mappen entstanden, die selbsterklärend die entsprechenden Psalmtexte enthalten. Wir verteilen nur die Hefte, schlagen die Seite des Wochentags auf und beten.
In unserem Kreis haben wir einen Mail-Verteiler eingerichtet. In der Regel übernimmt eine Person die Verantwortung für eine Woche, ist selbst Vorbeter oder bittet jemand anderen, diese Rolle zu übernehmen. So leitet mal eine Sekretärin, mal ein Referent die Gebetszeit. Das kann jeder. Es kommen auch immer wieder Gäste hinzu, die gerade die Stadtkirche besuchen und die wir dann einladen mitzubeten. Das kann jeder, der Lust auf Psalmen hat. Uns war wichtig, dass nicht durch einen komplizierten Aufbau Hemmnisse entstehen. Wir sitzen einander gegenüber und sprechen im Wechsel die Psalmen. So beten und singen wir acht bis zehn Minuten: die Einleitung, den Hymnus, eine kurze Schriftlesung und ein Gebet. Dann ist es auch schon wieder gut. Danach gehen wir meistens in die Mittagspause.
Die Psalmen bilden ja eine Melodie, bei der man sich gegenseitig die Verse zuruft. Man spürt dabei, ob jemand Ruhe hat und präsent ist oder unter Stress steht und gedanklich weit weg ist. Für mich ist diese Gemeinschaft wichtig. Ich lerne meine Kollegen anders kennen, auch wenn ich nicht viel mit ihnen darüber spreche.
Alltagsthemen sind in Psalmen in Lied- und Gedichtform ausgedrückt
Beim Gebet stellt sich ja oft die Frage, wie wir Worte für das finden, was uns bewegt. Mit welchen Worten wir mit Gott in Kontakt kommen. Genau das ist das Schöne bei den Psalmen: Sie sind lebenspraktisch. In ihnen haben alle Gefühle, Sorgen und Nöte ihren Platz. Die Alltagsthemen sind dort in Lied- und Gedichtform ausgedrückt. Ich brauche mich also selbst nicht mehr um Worte zu bemühen. Je nachdem, aus welcher Situation ich komme, sprechen mich die Psalmen unterschiedlich an und geben mir einen Impuls mit. Da sich die Texte alle vier Wochen wiederholen, kennt man sie zwar irgendwann. Und doch bleibt man immer wieder an neuen Stellen hängen.
So ist für mich das Beten der Sext eine Vergewisserung für mein Leben und Arbeiten. Und der Rhythmus des Psalmenbetens hilft mir zur Ruhe zu kommen und Anspannungen zu lösen. Sehr schön finde ich folgende Passage in einem Hymnus: „Der Tag strebt seiner Höhe zu, der Mittag ruft uns zum Gebet: Wir loben Gott und bitten ihn um Segen für den heil`gen Dienst.“ Der Text trifft es ganz genau. Wir kommen ja vom Arbeiten und tun genau das.
Text: Miriam Penkhues
Fotos: Stephan Schnelle
Miriam Penkhues ist Leiterin der Pilgerstelle im Bistum Limburg und hat 2013 im Ordinariat das Stundengebet mit eingeführt.
