Nachgedacht

Die Auferweckung Christi und das Heil

Ich erinnere euch aber, Brüder und Schwestern, an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch fest steht, durch das ihr auch selig werdet, wenn ihr’s so festhaltet, wie ich es euch verkündigt habe; es sei denn, dass ihr’s umsonst geglaubt hättet. Denn als Erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift; und dass er begraben worden ist; und dass er auferweckt worden ist am dritten Tage nach der Schrift (…). Zuletzt von allen ist er auch von mir als einer unzeitigen Geburt gesehen worden.  (…) Wenn aber Christus gepredigt wird, dass er von den Toten auferweckt ist, wie sagen dann einige unter euch: Es gibt keine Auferstehung der Toten? Gibt es keine Auferstehung der Toten, so ist auch Christus nicht auferweckt worden. Ist aber Christus nicht auferweckt worden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich. 1 Kor 15,1-4; 8; 12-14 (Einheitsübersetzung 2016)

„Zuletzt auch mir“

Wege zum Glauben an die Auferstehung

Es geht um die Auferstehung von den Toten. Und wir sind im vorletzten Kapitel des 1. Korintherbriefs.Paulus denkt mit seiner Gemeinde nach. Und er möchte sie erinnern, an den Ursprung ihres Glaubens. Aber er schreibt nicht zuerst über einen Glaubensinhalt – auch wenn es so scheint. Nein, Paulus ist leidenschaftlicher Existenzdenker. Er ist auch ein theologischer Feingeist, gut geschult als Pharisäer, der er war. Und deswegen war ihm diese Sache mit Jesus höchst verdächtig. Denn er ahnte: Mit so einer Behauptung wird der normale und vernünftige Glaube auf den Kopf gestellt. Was Leute wie Petrus oder Stephanus behaupteten, war brandgefährlich und stellt alle Dogmen infrage: Gott, der Große und Ferne, der Einzige, ist ganz sicher ein Gott, der mit seinem Volk geht – aber so? Was diese Christusjüngerinnen und -jünger behaupten, ist Häresie: Gott mitten unter uns – ja: im Tempel, erahnbar hinter dem Vorhang, erreichbar mit den Opfern der Priesterkaste. Aber nicht ein Gott, der Mensch wurde, und mitten unter den Menschen ist, durch den Tod geht und dann aufersteht?

aulus erzählt in der Apostelgeschichte vom Grund seines Glaubens. Er war in Fahrt. Es ging darum, die Christen zu verfolgen und auszurotten. Er tat das mit Überzeugung und mit amtlichem Auftrag. Und dann geschah etwas Unerwartetes. Paulus erzählt selbst nur stotternd und in Bildern, was ihm widerfahren ist. Er hört eine Stimme, er wird blind, er fällt zu Boden. Etwas hat ihn umgeworfen, jemand zeigt sich ihm, dem er noch niemals begegnet ist – und ihn doch sofort erkennt. Später, im 1. Korintherbrief, schreibt er: „Zuletzt hat er sich auch mir gezeigt, der ich es am wenigsten verdient habe.“ (1. Kor 15,8; übersetzt nach der Bibel „Hoffnung für alle“) Er ist ziemlich erschüttert. Was er gedacht hat, stimmt nicht mehr – seine Gedankengebäude zerbrechen. Eine veritable Krise. Er sieht nicht mehr weiter – und gleichzeitig lernt er jenen Auferstandenen kennen, den er doch für unmöglich hielt: Gott so unendlich nah, so unendlich präsent. Er erfüllt ihn mit einer Energie und Kraft, mit einem unerschütterlichen Glauben. Und zum Zentrum dieses Glaubens wird ihm nicht die Erinnerung an den Mann aus Nazaret. Denn den kann er nicht mehr kennenlernen. Aber das Ereignis von Tod und Auferstehung wird ihn prägen. Und nur so kennt er Christus: als unwahrscheinliche und doch so reale Erfahrung eines Geheimnisses, das nicht fassbar, aber gegenwärtig in ihm, in den Menschen und zwischen ihnen ist: „Aber seit ich Christus kenne, ist für mich alles wertlos, was ich früher für so wichtig gehalten habe.“ (Phil 3,7)

Das sind starke Worte: für Paulus ist das aber eine lebensprägende Grunderfahrung, auf der sein Leben gründet. Wenn er also durch Kleinasien reist, Menschen davon erzählt, was ihm geschehen ist und wer dieser Christus ist, dann tut er das aus der Kraft eines Glaubens, der nicht irgendwie vage ist: an eine höhere Macht, an eine ferne Göttlichkeit, die es irgendwie religiös zu erreichen gilt und dessen Wahrheit in einer Lehre liegt, die sich Paulus zurechtlegt. Nein! Gar nicht. Er kann nur so überzeugend davon erzählen und bezeugen, weil die Gegenwart des Auferstandenen ihn durchdringt, sein Denken und Handeln umgeprägt hat. Ja, man wird sagen dürfen, dass hier eine echte „Umkehr“ geschehen ist. Und so beschreibt Paulus das auch, wenn er die Römer erinnert: „Weil ihr Gottes reiche Barmherzigkeit erfahren habt, fordere ich euch auf, liebe Brüder und Schwestern, euch mit eurem ganzen Leben Gott zur Verfügung zu stellen … Passt euch nicht den Maßstäben dieser Welt an, sondern lasst euch von Gott verändern, damit euer ganzes Denken neu ausgerichtet wird.“ (Röm 12,1-2)

Aber diese Gegenwart des Auferstandenen hat Paulus ja weiter sehen lassen: denn der Tod Jesu, sein Tod am Kreuz wurde für ihn dann die eigentliche Kehrtwende seiner Beziehung zu Gott. Es geht nicht um einen schrecklichen Tod und eine wunderbare Auferweckung. Es geht um viel mehr. Für Paulus offenbart dieses Ereignis die übergroße Liebe Gottes, der die Zerbrochenheit und Verlorenheit des Menschseins und der Kette der Ungerechtigkeit durchbricht: Er ist in diese Nacht des Todes gegangen und hat dort mich getroffen, geliebt, beschenkt mit göttlicher Gnade. Was dann später „Rechtfertigung“ heißt, meint eben nicht einen Glauben aus Leitungsansprüchen, sondern ein Gratisgeschenk der Liebe, der Annahme, egal wer man ist. Das ist eine Umkehrung: Nicht wir suchen Gott und versuchen durch gute Taten einen gnädigen Gott zu finden, sondern Gott kommt uns in seiner unendlichen Liebe nah, stirbt unsere Tode, damit der Tod auch Leben, göttliches Leben sein kann, in uns und in allen. Das verkündet Paulus, das ist eigentliche Pointe des Christentums: Das Geheimnis einer durchschrittenen Nacht und einer unglaublichen Liebe mündet ein in eine Welt, die durchdrungen ist von Gottes Geistkraft und Gegenwart. Darum geht es – und das glaubt Paulus nicht aufgrund von theologischen Konstruktionen, sondern als eigene Erfahrung.

Und deswegen erinnert er die Korinther in unserem 15. Kapitel. Worauf ist dein Glaube gegründet? Er lebt doch aus dieser wahnsinnigen Erfahrung, die auch euch ergriffen hat. Ihr habt Liebe erfahren, die aus dieser Tiefe stammt. Das allein hat euer Leben gerettet. Erinnert euch, warum ihr überhaupt Christen seid! Erinnert euch, was die Grunddynamik dieses Glaubens ist, der euch eines Tages geschenkt wurde. 

Paulus setzt also voraus, dass dieser Glaube nicht einfach das Ergebnis von guter Katechese und Glaubensunterricht war. In diesen ersten Zeiten des Christentums ist dieser christliche Glaube verknüpft mit sehr persönlicher Ergriffenheit und Begegnung, die irgendwie im Menschen angelegt ist, aber auch nur dann freigelegt und wirklich wird, wenn jemand „plötzlich“ erkennt, wie sehr nah Gott ist und so sein Leben „neu“ wird. Das fällt nicht einfach vom Himmel, und oft zeichnet sich das im Leben ab – aber erst dann, wenn jemand wie Paulus oder die Christen ergriffen werden, dann wird auch die Geschichte als Weg lesbar. 

Das schließt Zweifel und Krisen nicht aus. Das schließt sogar Dunkelheiten ein. Und Paulus ist ja auch zuweilen in massive existenzielle Krisen hineingeraten. Und doch trägt ihn immer wieder diese seine Grunderfahrung. Sie ist für ihn zentral. An ihr hängt für Paulus das ganze Christsein. Die unerhörte existenzielle Erfahrung auf dem Weg nach Damaskus brauchte Zeit. Es waren andere da, die ihm die ganze Botschaft erschlossen haben – und Paulus brauchte mehrere Jahre in der Wüste, bis er sich diese Revolution zu Eigen machen konnte. Erst dann ging es los. Und deswegen ist er hier, an dieser Stelle des Korintherbriefs so entschieden: Wenn es diese Wirklichkeit der Auferstehung, diesen heißen Hauch des Auferstandenen nicht gibt, dann wäre das Christentum nur eine Ansammlung von Geschichten, im schlimmsten Fall ein Haufen existenzloser Dogmen und Normen. „Wie sinnlos!“, würde Paulus sagen. Dann wären Predigten ohne letzten Sinn, und der Glauben letztlich bestenfalls eine religiöse Suche nach einem unbekannten Gott, Gottheit – schlimmstenfalls selbstgestrickt. 

Text: Christian Hennecke

Christian Hennecke ist Leiter der Hauptabteilung Pastoral im Bistum Hildesheim.

Illustration: Patrick Schoden