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In der Stille wird es laut

Meditation, die Wahrnehmung des Atems und das wiederholende Beten des Namens Jesu Christi – für Michaela Maas ist das kontemplative Gebet nach der Methode des Grieser Wegs nichts Abgehobenes, sondern Kraftquelle im Alltag

Am Beginn steht die Hoffnung, in der Stille Ruhe zu finden. Stattdessen passiert aber oft das Gegenteil. Es wird laut. Gefühle, Erinnerungen, Schmerzen und Gedanken brechen auf. Doch statt zu fliehen und zu verdrängen, geht es in der Meditation darum, wahrzunehmen, was sich zeigen möchte. Es anzuschauen oder wie der heilige Franz von Sales sagt: das Herz zurückzubringen und in die Gegenwart Gottes zu versetzen – immer und immer wieder. Die Wahrnehmung des Atems und das wiederholende Beten des Namens Jesu Christi helfen, in die Gegenwart und Stille zu kommen. Dabei gibt es Momente, in denen eine Ahnung von der Gegenwart Gottes keimt. Diese kostbaren Augenblicke lassen sich nicht festhalten und nicht in Worte fassen. Aber sie sind eine Kraftquelle für das Leben. Sie bedeuten auch nicht, dass einem Herausforderungen des Alltags erspart bleiben. Doch das Leben erhält eine andere Intensität.
 

Das kontemplative Gebet, auch Jesusgebet oder Herzensgebet genannt, ist in Deutschland eng mit Haus Gries in Franken verbunden. Aufgebaut wurde es von dem Jesuiten Franz Jalics. Er bot die Möglichkeit zu Schweigeexerzitien, die in das Jesusgebet einführten. Franz Jalics war gebürtiger Ungar, lebte viele Jahre in Argentinien und wurde während der Militärdiktatur verschleppt. In der Einzelhaft betete er intensiv das Jesusgebet. Nach seiner Befreiung kam er nach Deutschland, baute in Gries das Exerzitienhaus auf und führte Menschen in das kontemplative Gebet ein. Vergangenes Jahr starb er im Alter von 93 Jahren in Ungarn.

Eine Lebenshaltung für den Alltag

Menschen aus aller Welt lernten bei ihm das Jesusgebet. Als ich 1993 das erste Mal nach Gries kam, spürte ich: Das ist mein Weg. 1996 beschloss ich, für dreizehn Monate in die internationale Hausgemeinschaft zu gehen. Ein Jahr, das mich bis heute prägt. Jede und jeder meditierte vier Stunden am Tag und arbeitete vier Stunden im Haus. Gemeinsam mit einer Ungarin, mit der ich bis heute sehr verbunden bin, habe ich für alle gekocht. Außerdem gab es jeden Abend einen Gottesdienst. In „Mittwochsrunden“ durfte jede bzw. jeder sagen, wie es ihr bzw. ihm geht, während die anderen nur zuhörten. Das hat mich sehr viel über das Zusammenleben mit Menschen gelehrt. In freien Zeiten spielten wir Volleyball, machten Spaziergänge und Ausflüge. Außerdem bekamen wir viel Besuch aus vielen Ländern. All diese Aktivitäten und Begegnungen waren eine große Bereicherung.
 

Der Weg des kontemplativen Gebetes ist nichts Abgehobenes und auch nicht nur auf die Zeiten während der Meditation beschränkt. Vielmehr ist es eine Lebenshaltung, die man im Alltag immer wieder einüben kann. Das mache ich zum Beispiel, indem ich versuche, mit aller Aufmerksamkeit da zu sein, wenn ich jemandem zuhöre, ich koche oder mich um die Kinder kümmere. Sich bei Ablenkungen in die Gegenwart zurückzuholen, sich auf Gott hin auszurichten oder wie Franz von Sales es beschreibt, das Herz zurückzubringen, auch wenn es immer wieder fortläuft, braucht eben immer wieder liebende Hingabe und Zeit. So ist das Herzensgebet für mich zur Quelle geworden, aus der ich lebe.

Text: Michaela Maas

Foto: Hermann Pentermann

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