
Nachgedacht
Markus 4,3-9
Hört! Siehe, ein Sämann ging hinaus, um zu säen. Als er säte, fiel ein Teil auf den Weg und die Vögel kamen und fraßen es. Ein anderer Teil fiel auf felsigen Boden, wo es nur wenig Erde gab, und ging sofort auf, weil das Erdreich nicht tief war; als aber die Sonne hochstieg, wurde die Saat versengt und verdorrte, weil sie keine Wurzeln hatte. Wieder ein anderer Teil fiel in die Dornen und die Dornen wuchsen und erstickten die Saat und sie brachte keine Frucht. Ein anderer Teil schließlich fiel auf guten Boden und brachte Frucht; ie Saat ging auf und wuchs empor und trug dreißigfach, sechzigfach und hundertfach. Und Jesus sprach: Wer Ohren hat zum Hören, der höre!
Es braucht Zeit und guten Boden – Von der Mühsal des Säens und dem Vertrauen in die Ernte
Kennen Sie das? Als Religionslehrer*in möchten Sie doch auch nicht nur ein Schulfach haben, wo man gelerntes Wissen abfragen kann, sondern den Schülerinnen und Schülern etwas von unserer christlichen Botschaft mitgeben, oder? Das möchte ich als Pastoralreferentin in der Gemeinde auch. Das Problem dabei ist, dass man nicht so einfach überprüfen kann, ob etwas an- oder rübergekommen ist. Gerade Jugendliche sind mit ihren Beiträgen und Reaktionen oft zurückhaltend, und manchmal scheinen die so wenig Bock zu haben, dass man frustriert ist und sich fragt, ob diese Mühen wohl lohnen. Dann fühle ich mich, wie der Sämann aus dem Gleichnis Jesu. Denn ich finde, es lässt sich gut auf unsere Situation heute übertragen:
1. Die Saat fällt auf den Weg und die Vögel fressen sie.
Manchmal gibt es Jugendliche, die keine Bereitschaft mitbringen, etwas anzunehmen; alles wird abgewehrt durch dumme Bemerkungen, auch denen gegenüber, die zumindest zuhören. Zum Glück erlebe ich das höchst selten, aber wenn, dann spreche ich die Jugendlichen, etwa in der Firmvorbereitung, direkt an und frage, ob sie überhaupt Interesse haben. Ich zwinge niemandem unsere Botschaft auf, und wer zum Beispiel von den Eltern geschickt wird, dem biete ich an, ihnen zu erklären, dass das nicht okay ist. Niemand muss sich beim Hören der Botschaft quälen – und niemand soll die anderen dabei stören und ihnen sozusagen die Saat wegfressen.
2. Die Saat fällt auf felsigen Boden, geht zwar erstmal auf, aber die Sonne versengt die Saat, weil sie keine Wurzeln hat.
Ich erlebe immer wieder, dass junge Leute sich durchaus in Sachen Glauben ansprechen oder sogar begeistern lassen. Aber wenn man nicht grundsätzlich mit einer Idee vom Glauben aufwächst, wenn man keine Bezugspersonen hat, die ebenfalls irgendwie in Sachen Glauben unterwegs sind, dann bleibt es oft bei „zufälligen“ Begegnungen, und die haben es schwer, weiterzuwachsen, zu gedeihen und Früchte zu tragen. Natürlich gibt es da durchaus Mauerblümchen des Glaubens, die sich trotzdem durchkämpfen und wunderbar aufblühen, aber die sind halt selten.
3. Die Saat fällt in die Dornen und diese ersticken die Saat.
Die Einflüsse, die heutzutage auf Jugendliche einprasseln, sind immens. Die sozialen Medien breiten sich aus, zahlreiche Influencer erklären teilweise mehrfach am Tag, was man im oder sogar zum Leben braucht. Man muss sich nicht mehr für ein Fernsehprogramm entscheiden, sondern hat mit Streamingdiensten unbegrenzte Möglichkeiten. Die Kommunikationskanäle erwarten regelmäßig Updates, man ist mit seinem Smartphone quasi nie allein, sondern immer unter dem Blick aller anderen und kann kaum zur Ruhe kommen. Dabei braucht es Ruhe und Zeit, um tiefgründige Gedanken und den Glauben wachsen zu lassen, um herauszufinden, wer man ist und wer man sein möchte. Aber wer will schon freiwillig aus dieser Welt der Jugendlichen aussteigen und zum Außenseiter werden? Und dann noch einem Thema Raum und Zeit schenken, dass nicht so gefragt ist, wenn nicht sogar einen schlechten Ruf hat…
4. Die Saat fällt auf guten Boden und bringt reiche Frucht.
Auch das erlebe ich: Jugendliche, die sich als Gruppenleiter*innen in Gemeinden engagieren, Lust haben, Katechet*innen für andere zu sein, Interesse haben, sich über den Glauben und Gott und die Welt auszutauschen. Einige mehr, andere weniger, aber alle mit einer Idee davon, was ihr Glaube für ihr Leben bedeutet.
Und wie hilft mir das als „Sämann heute“ jetzt weiter? In dreifacher Weise: Erstens ist es gut zu wissen, dass es schon vor mehr als 2000 Jahren nicht nur einfach war, die Botschaft Gottes unter das Volk zu bringen – was sollte sonst dieses Gleichnis? Zweitens merke ich, dass es nicht böse Absicht von Jugendlichen ist, keinen sehr fruchtbaren Boden zu bieten. Der Glaube braucht Menschen als lebendigen Nährboden, und jeder Mensch hat nun mal seine individuellen Hintergründe, Lebenswirklichkeiten, Probleme, Sorgen und Themen. Da haben unser Glaube und unsere Botschaft mal mehr und mal weniger Platz. Und drittens macht mir ein wichtiger Unterschied zwischen uns und dem Boden aus dem Gleichnis Mut: Der Mensch ist ein lebendiger Boden, der sich stetig verändern kann! Wenn er in jugendlichen Jahren nicht gerade sehr fruchtbar für die Saat des Glaubens ist, kann es doch sein, dass der Glaube später im Leben durchaus wichtig wird und sich weiterentwickeln darf. Etwa, wenn man überlegt, das eigene Kind taufen zu lassen, wenn ein wichtiger Mensch schwer erkrankt oder jemand stirbt.
Die Saat aus dem Gleichnis hat eine eher kurze Lebensdauer. Tatsächlich aber können viele Samen locker ein paar Jahre oder bei richtiger Lagerung schier unbegrenzt haltbar sein. Unser Glaube an die Auferstehung ist vielleicht nicht so von Bedeutung, wenn man keine Berührung mit dem Tod hat; aber wenn ein für mich wichtiger Mensch stirbt, frage ich ganz neu danach, wie es jetzt wohl für diesen Menschen weitergeht. Und der kleine, vor langer Zeit gelegte Same kann plötzlich anfangen zu keimen…
Wir dürfen unserer Botschaft, unserem Glauben und auch den Menschen einiges zutrauen. Manchmal braucht es veränderten Boden, veränderte Lebensumstände, die dem Glauben ganz neuen Raum eröffnen, ihm einen anderen Wert beimessen und so neue Möglichkeiten schaffen. Meine Aufgabe als Katechet*in oder Lehrer*in ist es nur, den Samen zu säen; ab da liegt es nicht mehr in meiner Hand. Letztlich wissen wir nicht, wie das mit der aufgehenden Saat funktioniert, wie wir etwas später im Markusevangelium im Gleichnis vom Wachsen der Saat lesen können:
„Jesus sagte: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mann Samen auf seinen Acker sät; dann schläft er und steht wieder auf, es wird Nacht und wird Tag, der Samen keimt und wächst und der Mann weiß nicht, wie. Die Erde bringt von selbst ihre Frucht, zuerst den Halm, dann die Ähre, dann das volle Korn in der Ähre.“ (Markus 4,26-28)
Und wenn mir dann ein ehemaliger Firmling, dem ich nicht viel Nährboden zugetraut habe, als Kassierer im Supermarkt nach meinem Einkauf lächelnd einen „gesegneten Abend“ wünscht, dann lächle ich zurück und denke: also doch, wie schön!
Text: Eva Schumacher (Eva Schumacher ist Pastoralreferentin in der Pfarreiengemeinschaft Lingen Süd und in der Hochschulpastoral der Hochschule Osnabrück am Standort Lingen)